Erinnerung an Wolfgang Ziemssen – Schauspieler und mehr….!
Heute fand ich diese Hommage (von 2010) an einen außergewöhnlichen Künstler in meiner Artikel-Datei. Ja, er verstarb schon 2012, dennoch veröffentliche ich den Text hier. Damals erschien er in den Bayreuther Festspielnachrichten. Künstler mit seiner ethischen Loyalität gibt es nicht mehr viele. Es wäre zu wünschen, dass wir die enorme Entgeistigung in der Kunst sowie in der Gesellschaft schnell überwinden können!

‚Lohengrin’ und ein Affenkostüm in New York
Der Schauspieler Wolfgang Ziemssen und ‚sein’ Richard Wagner
Midou Grossmann 2010
Die Musik hatte für Wolfgang Ziemssen immer eine große Bedeutung, sie war für ihn eine Kraftquelle. Privaten Gesangsunterricht erhielt er schon in jungen Jahren. Selbst als Operetten-Buffo ist er aufgetreten, u.a. als Ottokar in ‚Der Zigeunerbaron’ und als Wenzel in ‚Die verkaufte Braut. Eine besondere Liebe hegt er aber für die Opern Richard Wagners. Als er im jugendlichen Alter den ‚Fliegenden Holländer’ an der Kieler Oper zum ersten Mal sah, war’s um ihn geschehen, noch heute besitzt das Werk einen besonderen Stellenwert für ihn. Die eindrucksvolle Ouvertüre ging sofort unter die Haut, er wurde förmlich weggetragen in die aufpeitschende Gischt der Wellen, so etwas vergisst ein ‚Kieler Jung’ nie mehr, der selbst ein begeisterter Segler war und die Ostsee als Skipper oft durchsegelt hat. Wagner hat für ihn die Oper revolutioniert: „Er war ein Reformer, ein Genie, der etwas ganz Neues geschaffen hat, ein einmaliges Gesamtkunstwerk. Er war der Erste, der sich von der Tradition der Arienoper distanzierte und eine durchkomponierte Handlung schuf. Wagners Texte sind gewaltig, basierend auf einer musikalischen Kunstsprache, die zusammen mit der Musik einen gigantischen Klangteppich bildet. Die gestalterische Dichte fasziniert mich, ja, berauscht mich zuweilen. “ Ebenso beeindruckend ist für ihn die inhaltliche Fokussierung Wagners auf die vielschichtige mythologische Thematik seiner Opern.
Wolfgang Ziemssen hat, abgesehen von den Frühwerken, alle Wagneropern auf der Bühne erlebt. Den ‚Fliegenden Holländer’ sah er in den Fünfziger Jahren auch auf dem Grünen Hügel in Bayreuth, mit Anja Silja als Senta, sie hat ihn damals tief beeindruckt. Ebenso, wie der geniale Wieland Wagner mit seiner neuen Schaffensperspektive, die erfolgreich den Bayreuther Neuanfang markierte. „Eine ungeheure künstlerische Energie hat Bayreuth damals geprägt“, so Ziemssen, der auch im Gespräch Wieland Wagner und Anja Silja kennengelernt hat: „Frau Silja brachte frischen Wind in die weihevolle Atmosphäre der Festspiele, sie brauste mit ihrem roten Cabriolet durch die Stadt, jeder kannte sie. Sie wirkte ungeheuer modern und losgelöst frei und dennoch war sie eine echte Künstlerin. Von dieser Frau musste man einfach fasziniert sein. Dass Wieland ihre große Liebe war, das sah man sofort.“
In New York erlebte Ziemssen am 4. 12. 1976 die ‚Opening Night’ des ‚Lohengrin’, in der Regie von Gustav Everding, die ersten Takte der Ouvertüre trugen ihn gleich in andere Dimensionen, für Helden und Mystik hatte er schon immer ein Faible. Es sangen (laut Internet): Lorengar, Dunn, Kollo, McIntyre, Giaiotti, am Pult stand James Levine. Doch auch die Beobachtungen hinter der Bühne waren für ihn hoch interessant. Sein Freund, der Bassbariton Gerd Nienstedt (Heerrufer), nahm ihn mit in die Kulissen der Met. Die ungezwungene Art der Amerikaner imponierte ihm ungemein. Beeindruckt war er auch von der Lässigkeit Levines, dem er auf dem Platz vor dem Haus manchmal begegnete. Damals gastierte Ziemssen in New York und feierte Triumphe mit Kafkas Ein-Mann-Stück ‚Ein Bericht für die Akademie’. Als Ziemssens Affenkostüm einmal Schaden nahm, brachte Nienstedt es in die Kostümabteilung der Met, die das Fell sofort ausbesserte. Alle waren neugierig auf den Affenmann aus Deutschland, der das Chelsea Theatre jeden Abend füllte. Mit weiteren deutschsprachigen Künstlern, zu denen auch Herbert von Karajan gehörte, wurde er vom gerade gewählten Präsidenten Jimmy Carter sogar im Weißen Haus empfangen.
Wolfgang Ziemssen, Jahrgang 1928, beginnt 1945 eine Schauspielausbildung in seiner Geburtsstadt Kiel, die das Rüstzeug für eine lange, erfolgreiche Karriere gibt. Seine Berufung zum Theater entdeckt er schon als Kind, mit 14 Jahren debütiert er in seinem ersten Film (‚Das Ferienkind’ mit Hans Moser). Begegnungen mit Schauspielgrößen wie Bernhard Minetti, René Deltgen und Elisabeth Flickenschild prägen und inspirieren ihn. Seine ersten Bühnenengagements führen ihn durch das vom Krieg zerstörte Deutschland, schmutzige Theater sowie möblierte Zimmer in kaputten Städten gehören ebenso zum Alltag wie Hunger und Kälte. Aber seine Begeisterung für das Theater und die Kunst sowie sein lebensbejahender Optimismus gaben ihm immer wieder die Kraft sich nach harten Schicksalsschlägen durchzusetzen und aufzustehen, wie nach dem Tod seiner Frau (2008) oder einer Zungenkrebserkrankung (1985). 1968 kommt Wolfgang Ziemssen als Schauspieler an das Staatstheater Wiesbaden, als festes Ensemblemitglied bleibt er dem Haus bis 2003 erhalten. In dieser etwas sonderbaren Stadt, die mit ‚satter Selbstgefälligkeit’ auffällt, ist er letztendlich heimisch geworden. Bis kurz vor seinem Schlaganfall im letzten Jahr stand er immer noch auf der Bühne, sehr oft auch bei seiner früheren Schauspieldirektorin Annegret Ritzel in Koblenz. Gastspiele bei Film und Fernsehen gehörten ebenfalls zum farbenreichen Lebensweg des vielschichtigen Künstlers. Heute lebt er in einer Seniorenresidenz am Wiesbadener Kurpark, doch sein Lebenselan ist weiterhin ungebrochen, in einem nächsten Leben würde er gerne wieder auf der Bühne stehen, vielleicht sogar als Showmaster im Fernsehen. Die Liebe zur Musik begleitet den Schauspieler bis heute. Immer pflegte er Kontakte mit den Kollegen vom Musiktheater, auch während den langen Jahren in Wiesbaden. Sehr kritisch sieht Ziemssen die aktuelle Entwicklung auf den Bühnen, obwohl er gerade eine grandiose Aufführung der Shakespeare-Sonette nach Robert Wilson, mit dem Berliner Ensemble, am Hessischen Staatstheater erlebt hat. „Die Kunst sollte immer ihrer wahren Bestimmung treu bleiben.“ Für ihn bedeutet das, die Menschen in den tieferen Schichten ihres Seins zu berühren, sein Credo lautet: „Der Künstler sollte über dem Rahmen des Alltäglichen hinaus eine besondere Form des schöpferischen Schaffens präsentieren.“
Quote from Gnostic Writings: This is the generation that appeared through Edokla. For by the word she gave birth to truth and justice. This is the source of the seed of life eternal, which belongs to those who endure through knowledge of where they came from. This is the great incorruptible generation that has come through three worlds into world.