Fast 250 Jahre im Dornröschenschlaf

Theaterakademie August Everding präsentiert eine fulminante Inszenierung

Fotos Copyright/Credit: Cordula Treml

‘Zanaida‘, eine Oper des hochbegabten jüngsten Sohns Johann Sebastian Bachs, wurde 2011 beim Leipziger Bachfest zum ersten Mal wieder aufgeführt, in Vergessenheit geraten seit der Uraufführung 1763. 2019 findet eine weitere Aufführung am Staatstheater Mainz statt. Die Inszenierung in München ist somit die nur vierte Produktion auf einer Bühne. Die beiden letzten Inszenierungen zeigen allerdings Striche in der Musik sowie Änderungen im szenischen Ablauf. Wurde in Mainz ein deutscher Text verwendet, sang man in München auf italienisch. Die Änderungen sollten eine Straffung der Handlung bewirken, um eine Anlehnung an die aktuelle politische Lage ‘gradliniger’ zu erreichen. Die Handlung: ein langer Krieg zwischen Persien und der Türkei bewegt den türkischen König seine Tochter Zanaida als Braut dem persischen Herrscher Tamasse zu senden. Allerdings misslingt diese Goodwill-Aktion gänzlich, denn der junge König hat sein Herz schon anderweitig verloren, unterstützt durch die fanatischen Intrigen seiner Mutter Roselane. Prinzessin Zanaida begegnen nur Hass und Ablehnung. Sie geht einen langen Leidensweg friedvoll, bis sich endlich beide Parteien versöhnend die Hände reichen.

Die Aktualisierung scheint gelungen, die jungen Protagonisten wirken gänzlich vertraut mit dem Handlungsrahmen. Da man auf eine Pause verzichtet, kann die Handlung sich stetig intensivieren. Die Inszenierung von Sabine Hartmannshenn zeigt Spannung; eindrucksvoll gestaltet, die Bewegungsabläufe mit einer treffsicheren Choreografie, wunderbar eingeflochten in den farbenreichen Klangteppich dieser italienisch geprägten Barockoper, der von dem grandios aufspielenden Münchner Rundfunkorchester ausgebreitet wird. Dieser Abend beweist wieder einmal die enorme Vielseitigkeit dieses Klangkörpers. Am Pult, der junge Dirigent Oscar Jockel, dem diese unbekannte Partitur vertraut zu sein scheint. Erklärend in einem Interview, dass er am Mozarteum historische Aufführungspraxis studiert sowie auch für erstklassige Orchester Cembalo und Orgel gespielt habe, belegt dies, dass ihn das Werk innerlich bewegt, was auch eine stetig gesteigerte Intensität aus dem Orchestergraben zeigt. Ein mitempfindendes Publikum beweist mit Szenenapplaus und hoher Konzentration, dass der Dialog zwischen Bühne und Zuschauer funktioniert.

Das gesangliche Niveau des jungen Ensembles erweist sich als bemerkenswert. Die italienische Leichtigkeit der Dialoge und Arien basiert auf klaren Linien sowie guter Diktion, ebenso gefällt das schauspielerische Miteinander auf der Bühne. Die Koloraturpassagen und Spitzentöne fein und edel von Harpa Ósk Björnsdóttir (Zanaida), Tamara Obermayr (Roselane) und Céline Akçağ (Tamasse), von der Seite gesungen für Katya Seministy. Viel Beifall auch für Bariton Geonho Lee, als Botschafter Mustafa, Katja Maderer (Osira), Annabele Kern (Cisseo).

Wie eine Videoskulptur, das Bühnenbild von Edith Kollath (ebenso verantwortlich für die stimmigen Kostüme).  Ein bühnengroßer Webstuhl mit Fadenkonstruktionen, angelehnt an die Tradition der beiden Länder, der Kunst des Kelimwebens. Symbolisch gesehen könnte man sagen, dass wir Menschen eingebunden sind in einem kosmischen Webstuhl, an Schicksalsfäden hängend, um Befreiung kämpfend.

Nicht zuletzt erwähnt werden sollte die stimmige Lichtregie sowie das wohldurchdachte Programmheft, verständlich und interessant! Ein bewegender Abend, den man nicht missen möchte.

http://www.theaterakademie.de

Der Mitschnitt ist am Sonntag, 28.April ab 19.05 Uhr auf BR-Klassik zu hören und danach kostenfrei online abrufbar.

Author: Midou Grossmann

Writer, Arts, Philosophy....

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